Osage Nation Museum
In den 1920er Jahren kam es zu einer Serie von Morden an Indigenen, der erst das neugegründete FBI ein Ende setzte. Der Film mit Leonardo DiCaprio erzählt in bester True-Crime-Manier die uramerikanische Geschichte von Landraub und Gier.
Andreas Scheiner (Text), Andrea Mittelholzer (Bildredaktion)
5 min
Vor hundert Jahren waren die Osage-Indianer die reichsten Menschen der Welt. Wegen der weissen Siedler waren sie ins vermeintlich karge Oklahoma ausgewichen. Und stiessen dort auf gewaltige Mengen Erdöl. 1920 nahm der Stamm 400 Millionen Dollar mit Schürfrechten ein. Damit brachten es die Ureinwohner auf das weltweit höchste Pro-Kopf-Vermögen. Doch der Wohlstand zog bald Betrüger an, die aus Geldgier über Leichen gingen.
Die Ölquellen wie im Bild links machten die Osage nicht nur reich, diese gaben das Geld auch aus – etwa für Pariser Haute Couture. Im Postamt gab es einen Schalter, der dem Juwelier Tiffany’s gehörte.
Anfang des 19.Jahrhunderts lebten die Osage am Osage River in Missouri. Ihr Stammesgebiet erstreckte sich auch über Teile von Kansas, Oklahoma und Arkansas. Mit 200000 Quadratkilometern Fläche war ihr Territorium mehr als halb so gross wie etwa das heutige Deutschland. Der Stamm zählte damals um die 5500 Angehörige.
Im Sezessionskrieg schlossen sich die Osage mit einer 500 Mann starken Einheit den konföderierten Streitkräften an. Einer der Kommandeure des Bataillons war Captain Black Dog II, Sohn des Osage-Häuptlings Black Dog.
Nach Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs und aufgrund der fortschreitenden Landnahme durch weisse Siedler sahen sich die Osage gezwungen, ihr angestammtes Siedlungsgebiet zu verlassen. Sie erwarben 1870 für den Preis von 1 Dollar 90 pro Hektare ein ungefähr 5700 Quadratkilometer grosses Gebiet in Oklahoma südlich der Grenze zu Kansas. 1897 wurde in diesem Gebiet, dem heutigen Osage County, Erdöl entdeckt.
Porträtfotografien von Osage zwischen 1906 und 1913: Das Bild unten links zeigt Bacon Rind, einen Osage-Politiker, der 1912 Häuptling der Osage Nation war. Vor ihm war Peter Bigheart (rechts unten) Stammesführer.
1906 verabschiedete der Kongress der Vereinigten Staaten ein Gesetz, das sich mit der Zuweisung von Land an die Osage im Gliedstaat Oklahoma beschäftigte. Anders als in früheren Fällen üblich wurde die gesamte Fläche auf die Mitglieder des Stammes verteilt, und es wurden keine überschüssigen Gebiete an Weisse verkauft. Auch wurde beschlossen, dass die Schürfrechte am Erdöl bei den Indigenen verbleiben sollten.
Durch ihren Reichtum wurden die Osage bald zum Ziel von Verbrecherbanden, die versuchten, ihnen lukrative Landrechte abzunehmen. Einer mysteriösen Mordserie zwischen 1921 und 1926, den sogenannten «Osage Indian murders», fielen mindestens sechzig Osage zum Opfer.
Der Viehzüchter William K.Hale war bekannt als der «King of the Osage Hills». Im Film von Martin Scorsese spielt Robert De Niro den Magnaten, der mit allen Mitteln die Kontrolle über die Ölvorkommen der Osage zu erlangen versuchte – etwa über diejenigen der Familie von Mollie, der Ehefrau von Ernest Burkhart (im Film: DiCaprio). Die Aufnahme zeigt Mollie (rechts), zusammen mit ihren Schwestern.
Die weisse Bevölkerung neidete den Osage ihren Reichtum. 1921 verabschiedete der Kongress unter dem Druck der Mehrheitsgesellschaft ein Gesetz, das den Osage einen Vormund aufzwang, der ihre Tantiemen und finanziellen Angelegenheiten verwaltete, bis sie ihre «Mündigkeit» unter Beweis stellten. Diese Vormunde betrogen ihre Schützlinge vermutlich um Millionen von Dollar. 1924 klagte das Innenministerium zwei Dutzend Vormunde wegen Korruption an.
Die Zahl der Toten stieg Mitte der zwanziger Jahre immer weiter an. Mindestens sechzig Osage waren der Mordserie bis 1925 zum Opfer gefallen. Die Schürfrechte gingen an ihre Vormunde über. Unter der Leitung des jungen J.Edgar Hoover schickte das Bureau of Investigation (BOI), der Vorläufer des FBI, schliesslich Ermittler in das Reservat. Hoovers Leuten gelang es, eine grossangelegte Verschwörung aufzudecken und Ernest Burkhart und William Hale vor Gericht zu bringen. Hale bekannte sich schuldig und wurde zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Auch Burkhart und einer der Auftragsmörder, der ebenfalls verhaftet wurde, erhielten Gefängnisstrafen. Alle drei Männer wurden allerdings auf Bewährung entlassen. Und viele Jahrzehnte später stellte sich heraus, dass mehrere der Todesfälle gar nie untersucht worden waren.
«Killers of the Flower Moon» rückt die lange ausgeblendete Geschichte der Osage ins Bewusstsein. Doch nun wird ausgerechnet in Oklahoma die Geschichte gleichzeitig wieder unterdrückt. In einer High School wurden Exemplare von «Killers of the Flower Moon», dem Sachbuch, auf dem der Film basiert, aus der Bibliothek ausgesondert.
Denn 2021 verabschiedete die Legislative von Oklahoma ein Gesetz, das es Lehrern in öffentlichen Schulen verbietet, etwas zu unterrichten, bei dem «eine Person aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts Unbehagen, Schuldgefühle, Ängste oder irgendeine andere Form von psychischem Leid empfinden sollte». Die Unbestimmtheit des Gesetzes hat Lehrer dazu veranlasst, sich selbst zu zensieren. Aber die Geschichte wird sich nicht noch einmal ausradieren lassen. Im Kino hat Martin Scorseses Film kurz nach seinem Start schon 140 Millionen Dollar eingespielt.
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